Was ist anomie?

Anomie

Anomie (vom Griechischen ἀνομία, "Gesetzlosigkeit") bezeichnet einen Zustand oder eine Gesellschaft, in der soziale Normen und Werte schwach, unklar oder gar nicht vorhanden sind. Dies führt zu Orientierungslosigkeit, sozialer Desintegration und dem Gefühl, dass das Leben sinnlos ist. Der Begriff wurde maßgeblich von Émile Durkheim geprägt.

Hauptmerkmale von Anomie:

  • Normenlosigkeit: Verlust oder Schwächung sozialer Normen und Regeln.
  • Orientierungslosigkeit: Individuen wissen nicht, wie sie sich verhalten oder welche Ziele sie verfolgen sollen.
  • Soziale Desintegration: Schwächung des Zusammenhalts und der Solidarität in der Gesellschaft.
  • Gefühl der Sinnlosigkeit: Individuen empfinden das Leben als bedeutungslos und leer.

Durkheims Sichtweise:

Émile Durkheim sah Anomie als eine Folge von schnellen sozialen Veränderungen und einer mangelnden Integration von Individuen in die Gesellschaft. Er unterschied zwischen zwei Hauptformen:

  • Akute Anomie: Entsteht durch plötzliche und dramatische Veränderungen wie Wirtschaftskrisen oder soziale Umwälzungen.
  • Chronische Anomie: Kennzeichnet Gesellschaften, in denen Normen und Werte dauerhaft geschwächt sind.

Durkheim verband Anomie mit höheren Selbstmordraten und anderen Formen sozialer Pathologie. Mehr darüber unter https://de.wikiwhat.page/kavramlar/Emile%20Durkheim

Robert Mertons Erweiterung:

Robert Merton erweiterte Durkheims Konzept, indem er Anomie als eine Diskrepanz zwischen kulturell definierten Zielen und den legitimen Mitteln zu ihrer Erreichung definierte. Wenn Individuen daran gehindert werden, kulturell anerkannte Ziele (z.B. Wohlstand) mit legitimen Mitteln (z.B. Bildung, Fleiß) zu erreichen, können sie zu abweichendem Verhalten greifen. Merton identifizierte verschiedene Anpassungsformen an Anomie, darunter:

  • Konformität: Akzeptanz sowohl der Ziele als auch der Mittel.
  • Innovation: Akzeptanz der Ziele, aber Ablehnung der Mittel (z.B. kriminelles Verhalten).
  • Ritualismus: Ablehnung der Ziele, aber Festhalten an den Mitteln (z.B. Bürokratie).
  • Rückzug: Ablehnung sowohl der Ziele als auch der Mittel (z.B. Drogenabhängigkeit).
  • Rebellion: Ablehnung der bestehenden Ziele und Mittel und der Versuch, sie durch neue zu ersetzen.

Mehr darüber unter https://de.wikiwhat.page/kavramlar/Robert%20K.%20Merton

Bedeutung und Relevanz:

Das Konzept der Anomie ist weiterhin relevant für das Verständnis von sozialen Problemen wie Kriminalität, Drogenmissbrauch, soziale Ungleichheit und politischer Instabilität. Es hilft, die Ursachen von sozialer Desintegration und abweichendem Verhalten zu erklären und Strategien zur Stärkung sozialer Normen und Werte zu entwickeln.