Was ist autopoiesis?

Autopoiesis

Autopoiesis, von den chilenischen Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela in den 1970er Jahren entwickelt, beschreibt ein System, das sich selbst erzeugt und erhält. Der Begriff leitet sich von den griechischen Wörtern "auto" (selbst) und "poiesis" (Erschaffung, Produktion) ab. Es handelt sich um eine Theorie über das Wesen lebender Systeme.

  • Definition: Autopoietische Systeme sind selbstorganisierende Systeme, die ihre eigenen Bestandteile produzieren und erhalten, wodurch sie sich von ihrer Umgebung abgrenzen und ihre eigene Identität bewahren. Sie reproduzieren also permanent ihre eigenen konstituierenden Elemente und organisieren sich selbst.

  • Schlüsselmerkmale:

    • Selbstreferenz: Die Produktionsprozesse des Systems beziehen sich auf das System selbst.
    • Selbstorganisation: Das System organisiert sich ohne externe Steuerung.
    • Abgrenzung: Das System etabliert eine klare Grenze zu seiner Umgebung.
    • Rekursion: Die Produkte des Systems tragen zur Produktion weiterer Produkte des Systems bei.
  • Anwendung: Ursprünglich in der Biologie verwendet, wurde das Konzept auf andere Bereiche wie Soziologie, Kybernetik und Organisationstheorie ausgedehnt. In der Soziologie wird es beispielsweise zur Beschreibung von sozialen Systemen wie Organisationen oder dem Rechtssystem verwendet, die sich selbst reproduzieren und legitimieren.

  • Kritik: Die Theorie der Autopoiesis ist nicht unumstritten und wurde in einigen Bereichen kritisiert, insbesondere hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf soziale Systeme. Einige Kritiker argumentieren, dass die strikten Kriterien der Selbstproduktion und Abgrenzung in sozialen Kontexten oft nicht vollständig erfüllt sind.

  • Beispiele:

    • Eine Zelle: Eine Zelle ist ein klassisches Beispiel für ein autopoietisches System. Sie produziert ihre eigenen Bestandteile (Proteine, Lipide usw.) und erhält ihre eigene Struktur und Funktion.
    • Eine Organisation: Eine Organisation kann als autopoietisches System betrachtet werden, wenn sie ihre eigenen Regeln, Prozesse und Strukturen reproduziert, um ihr Überleben zu sichern. (Siehe auch: Organisationstheorie)
  • Bedeutung: Die Theorie der Autopoiesis hat unser Verständnis von lebenden Systemen und ihrer Organisation grundlegend beeinflusst. Sie bietet einen Rahmen für die Analyse komplexer Systeme in verschiedenen Disziplinen. Sie betont die operative Geschlossenheit eines Systems und die Bedeutung von Selbstreferenz für dessen Identität und Autonomie. Der Fokus liegt auf der internen Organisation und den Prozessen, die ein System zu dem machen, was es ist.