Was ist putativnotwehr?

Putativnotwehr

Putativnotwehr, auch vermeintliche Notwehr genannt, liegt vor, wenn eine Person irrig annimmt, von einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff bedroht zu sein und sich deshalb verteidigt. Anders ausgedrückt: Der Täter glaubt, dass die Voraussetzungen für eine Notwehrsituation gegeben sind, obwohl dies objektiv nicht der Fall ist.

Kernpunkte:

  • Irrtum: Entscheidend ist der Irrtum des Täters über das Vorliegen eines Angriffs. Er nimmt eine Bedrohung wahr, die tatsächlich nicht existiert oder deren Intensität er falsch einschätzt.
  • Angriffsvorstellung: Der Täter muss sich vorstellen, dass ein rechtswidriger Angriff gegenwärtig ist.
  • Verteidigungshandlung: Der Täter muss eine Verteidigungshandlung vornehmen, um den vermeintlichen Angriff abzuwehren.

Rechtliche Behandlung:

Die rechtliche Behandlung der Putativnotwehr ist in Deutschland umstritten. Es gibt verschiedene Ansätze:

  1. Strenge Schuldtheorie: Danach wird der Täter voll bestraft, da er subjektiv rechtswidrig handelt. Allerdings kann ein verbotsirrtum vorliegen, der die Schuld mildern kann.
  2. Eingeschränkte Schuldtheorie: Diese Theorie differenziert. War der Irrtum vermeidbar, wird der Täter wegen fahrlässiger Tat bestraft. War der Irrtum unvermeidbar, entfällt die Schuld vollständig.
  3. Rechtsfolgenlösung: Diese Ansicht behandelt die Putativnotwehr wie einen Erlaubnistatbestandsirrtum. War der Irrtum vermeidbar, wird die Strafe gemildert. War er unvermeidbar, entfällt der Vorsatz, und es kommt eine fahrlässige Begehung in Betracht.

Die herrschende Meinung tendiert zur eingeschränkten Schuldtheorie oder zur Rechtsfolgenlösung. Die genaue Bewertung hängt stark vom Einzelfall ab und insbesondere davon, ob der Irrtum vermeidbar war. Die Vermeidbarkeit beurteilt sich danach, ob ein besonnener Mensch in der gleichen Situation den Irrtum erkannt hätte.

Beispiel:

Eine Person hört nachts verdächtige Geräusche an ihrer Haustür. In der Annahme, ein Einbrecher versuche einzudringen, schlägt sie mit einem Baseballschläger durch die Tür. Tatsächlich handelt es sich aber um den betrunkenen Nachbarn, der sich an der Tür geirrt hat. Hier liegt Putativnotwehr vor, da die Person irrig von einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff ausging. Die rechtliche Konsequenz (Strafbarkeit oder Strafmilderung) hängt davon ab, ob der Irrtum vermeidbar war.