Was ist gnostiker?

Gnostizismus

Der Gnostizismus ist eine vielfältige religiöse und philosophische Bewegung, die im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. im Nahen Osten und im Mittelmeerraum florierte. Er kombiniert Elemente aus dem Judentum, dem Christentum und hellenistischen Religionen und Philosophien. Zentrale Elemente des Gnostizismus sind die Vorstellung eines allwissenden Gottes, der von der materiellen Welt getrennt ist, und die Idee, dass der Mensch durch spezielle Erkenntnis (Gnosis) erlöst werden kann.

Kernüberzeugungen und -merkmale:

  • Dualismus: Der Gnostizismus betont einen scharfen Dualismus zwischen einer guten, spirituellen Welt und einer bösen, materiellen Welt. Die materielle Welt wird oft als Gefängnis der Seele betrachtet.
  • Unwissender Schöpfergott (Demiurg): Anders als in den abrahamitischen Religionen lehren Gnostiker, dass die materielle Welt von einem unwissenden oder bösartigen Schöpfergott, dem Demiurgen, geschaffen wurde. Dieser Demiurg wird oft mit dem Gott des Alten Testaments identifiziert. Mehr dazu unter: Demiurg
  • Gnosis (Erkenntnis): Die Erlösung im Gnostizismus erfolgt nicht durch Glauben oder gute Taten, sondern durch die Erlangung von Gnosis, einer speziellen, intuitiven Erkenntnis über die wahre Natur der Realität und des eigenen Selbst. Diese Erkenntnis ermöglicht es der Seele, sich von der materiellen Welt zu befreien und zur spirituellen Welt zurückzukehren.
  • Göttlicher Funke: Gnostiker glauben, dass im Inneren jedes Menschen ein göttlicher Funke wohnt, der von der spirituellen Welt stammt und in der materiellen Welt gefangen ist. Das Ziel ist es, diesen Funken zu erkennen und zu entfachen.
  • Erlöserfiguren: Verschiedene Erlöserfiguren, oft mit Jesus Christus in Verbindung gebracht, werden im Gnostizismus verehrt. Sie bringen die Gnosis und helfen den Menschen, sich von der materiellen Welt zu befreien.
  • Vielfalt: Es gab viele verschiedene gnostische Sekten und Schulen, jede mit ihren eigenen spezifischen Lehren und Praktiken.

Wichtige gnostische Texte:

  • Das Thomasevangelium
  • Das Johannesevangelium (apokryph)
  • Die Pistis Sophia
  • Das Evangelium der Wahrheit

Einfluss und Bedeutung:

Der Gnostizismus hatte einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung des frühen Christentums und der Philosophie. Er wurde von den frühen Kirchenvätern bekämpft und als Häresie verurteilt. Gnostische Ideen haben aber auch spätere philosophische und spirituelle Bewegungen beeinflusst.

Gnostische Schulen und Bewegungen:

  • Valentinianer: Eine der einflussreichsten gnostischen Schulen, gegründet von Valentinus.
  • Sethianer: Eine Gruppe, die Seth, den dritten Sohn Adams und Evas, als eine wichtige Erlöserfigur verehrte.
  • Manichäismus: Eine synkretistische Religion, die Elemente aus dem Gnostizismus, dem Zoroastrismus und dem Buddhismus vereinte. Mehr dazu unter: Manichäismus

Relevanz heute:

Obwohl der Gnostizismus als organisierte Religion weitgehend verschwunden ist, leben seine Ideen in verschiedenen Formen in der modernen Spiritualität, der Philosophie und der Literatur weiter. Die Betonung der persönlichen Erfahrung, der spirituellen Erkenntnis und der kritischen Auseinandersetzung mit etablierten Glaubenssystemen findet auch heute noch Anklang.