Was ist erlaubnistatbestandsirrtum?

Erlaubnistatbestandsirrtum (ETBI)

Der Erlaubnistatbestandsirrtum, kurz ETBI, ist im deutschen Strafrecht ein Irrtum des Täters über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes. Er ist in § 16 StGB geregelt.

Kern des Problems: Der Täter glaubt, eine Handlung zu begehen, die durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt wäre, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist. Er irrt also über Umstände, die, wenn sie wirklich vorlägen, seine Tat rechtfertigen würden.

Rechtsfolge:

  • Unvermeidbarer Irrtum (§ 16 Abs. 1 StGB analog): War der Irrtum unvermeidbar, so handelt der Täter ohne Schuld und ist straffrei. Die Unvermeidbarkeit beurteilt sich danach, ob der Täter die ihm zumutbaren Erkundigungen eingeholt und die ihm mögliche Sorgfalt angewendet hat. Siehe hierzu: Unvermeidbarkeit
  • Vermeidbarer Irrtum (§ 16 Abs. 1 StGB analog): War der Irrtum vermeidbar, so kann die Strafe gemäß § 16 Abs. 1 StGB gemildert werden. Dies setzt voraus, dass der Täter sich bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt über die tatsächlichen Voraussetzungen des vermeintlichen Rechtfertigungsgrundes hätte informieren können. Siehe hierzu: Vermeidbarer%20Irrtum

Abgrenzung zum Erlaubnisirrtum: Der Erlaubnistatbestandsirrtum ist von dem Erlaubnisirrtum (§ 17 StGB) zu unterscheiden. Beim Erlaubnisirrtum irrt der Täter nicht über die tatsächlichen Umstände, sondern über die rechtliche Bewertung seines Handelns. Er glaubt also, sein Handeln sei erlaubt, obwohl es objektiv rechtswidrig ist. Er kennt die Fakten, aber irrt über das Recht.

Beispiele:

  • Ein Mann schlägt einen anderen nieder, weil er glaubt, dieser greife ihn mit einem Messer an (Notwehrlage). Tatsächlich hatte der andere aber nur einen Kugelschreiber in der Hand. (ETBI, da Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen der Notwehr)
  • Jemand glaubt, es sei erlaubt, in Notwehr auch tödliche Gewalt anzuwenden, selbst wenn ein weniger gefährliches Mittel zur Verfügung stünde. (Erlaubnisirrtum, da Irrtum über die rechtlichen Grenzen der Notwehr)

Prüfungsschema (Kurzübersicht):

  1. Vorliegen eines Erlaubnistatbestandsirrtums: Hatte der Täter eine Fehlvorstellung über die tatsächlichen Umstände, die bei ihrem Vorliegen eine Rechtfertigung bewirkt hätten?
  2. Vermeidbarkeit des Irrtums: War der Irrtum vermeidbar oder unvermeidbar? (Beurteilung nach den individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten des Täters und den Umständen des Falles).
  3. Rechtsfolge:
    • Unvermeidbarer Irrtum: Straffreiheit (analog § 16 Abs. 1 StGB)
    • Vermeidbarer Irrtum: Strafmilderung (möglich nach § 16 Abs. 1 StGB)

Relevanz: Der Erlaubnistatbestandsirrtum ist ein komplexes und klausurrelevantes Thema im Strafrecht. Die korrekte Abgrenzung zum Erlaubnisirrtum und die Beurteilung der Vermeidbarkeit sind entscheidend für die rechtliche Bewertung des Falles.