Was ist kiezdeutsch?

Kiezdeutsch: Ein urbaner Soziolekt

Kiezdeutsch, auch bekannt als Türkendeutsch oder Kanak Sprak, ist ein umgangssprachlicher Soziolekt, der vor allem in multiethnischen Wohngebieten (Kiezen) in deutschen Städten wie Berlin, Hamburg und dem Ruhrgebiet gesprochen wird. Es hat sich aus dem Kontakt zwischen Deutsch und anderen Sprachen entwickelt, insbesondere Türkisch, Arabisch und Kurdisch.

Entstehung und Verbreitung:

  • Entstand in den 1980er Jahren durch den Kontakt zwischen Jugendlichen verschiedener Herkunft.
  • Wird vor allem von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gesprochen, unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft.
  • Verbreitung durch mündliche Kommunikation und informelle Kanäle.

Merkmale von Kiezdeutsch:

  • Grammatikalische Vereinfachungen:
    • Verwendung des Dativs statt des Genitivs (z.B. "Das ist das Auto von mein Bruder" statt "Das ist das Auto meines Bruders").
    • Weglassen von Artikeln (z.B. "Ich gehe Schule").
    • Verwendung des Infinitivs statt konjugierter Verbformen (z.B. "Ich muss gehen").
  • Lexikalische Einflüsse:
    • Übernahme von Wörtern und Ausdrücken aus dem Türkischen, Arabischen und Kurdischen (z.B. "Wallah" für "Ich schwöre").
    • Neuschöpfungen und umgangssprachliche Wendungen.
  • Phonologische Besonderheiten:
    • Vereinfachung von Aussprachemustern.
    • Regionale Akzente.
  • Modalpartikeln: Häufige Verwendung von Modalpartikeln wie "ey", "lan" oder "krass", die aus anderen Sprachen stammen oder eine neue Bedeutung im Kiezdeutsch erhalten haben.

Funktionen von Kiezdeutsch:

  • Identitätsstiftung: Dient als Mittel zur Abgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft und zur Stärkung der Gruppenzusammengehörigkeit.
  • Jugendsprache: Ausdruck von Jugendlichkeit und Rebellion.
  • Kommunikatives Werkzeug: Ermöglicht eine effiziente und flexible Kommunikation innerhalb der Gruppe.
  • Protest: Kann als subtile Form des Protests gegen gesellschaftliche Normen und Konventionen verstanden werden.

Bewertung und Kritik:

  • Linguistische Perspektive: Wird von Linguisten als eigenständige Sprachvarietät anerkannt und erforscht.
  • Gesellschaftliche Debatte: Oft Gegenstand kontroverser Diskussionen über Integration, Sprachwandel und soziale Ausgrenzung.
  • Pädagogische Herausforderungen: Diskussionen über den Umgang mit Kiezdeutsch im Schulunterricht.

Wichtige Themen: